Recruiting kann man nicht lernen — oder warum HR Abteilungen oft scheitern
Es gibt viele Berufe, die man lernen kann und es gibt manche, da kann man vielleicht nur zu 50% lernen und der Rest ist Empathie und jahrelange Erfahrung.
Hier ein paar Beispiele zum Einstieg, welche Berufe man auswendig lernen kann, um darin durch Fleiß erfolgreich zu sein:
Arzt oder Chirurg
Anwalt
Automechaniker
Reinigungskraft
Polizist
Feuerwehrmann
Finanzbeamter
Bäcker
Metzger
Und hier ein paar Beispiele für Berufe, für die Fleiß nicht ausreicht, auch wenn man diese Berufe gerne in eine Form gießen würde, die zum gewünschten Erfolg führt:
Künstler
Musiker
HR Manager
Recruiter
Headhunter
Psychologe
Krisenmanager
Bildhauer
Designer
Architekt
Sie sehen schon, es handelt sich hier eher um Berufe für die man viel Talent und auch Empathie braucht, um wirklich darin erfolgreich zu sein. Außerdem wird man immer besser im Laufe der Jahre.
Das Problem heutzutage mit HR ist, dass es einerseits zu 90% von fleißigen & emotionalen Frauen dominiert ist, die gerne den Job auch in Teilzeit machen und andererseits die Geschäftsführung dem Bereich nicht viel Aufmerksamkeit zuträgt. Hauptsache die machen ihren Job in HR und die Zahlen stimmen. Doch eigentlich müßte HR viel enger mit der Geschäftsführung zusammenarbeiten, anstatt nur Dienstleister für diese zu sein. HR muss die Vision und 5 Jahres Strategie des Unternehmens verstehen und daran mitwirken, um hinterher die richtigen Mitarbeiter rekrutieren zu können. HR muss ernst genommen und respektiert werden, denn HR kennt den Markt und weiß was möglich ist und was nicht. Darauf sollten die CXOs auch hören bei der Strategieplanung.
Doch das Management Board ballert HR gerne mit Aufgaben zu, um seine Ziele zu erreichen und Boni einzustreichen und HR kann sehen, wie es dieser Mammut-Aufgabe gerecht wird, und ist manchmal nicht genug qualifiziert für den Job oder macht ihn nur halbtags.
Ein Kernproblem bei der Auswahl von Bewerbern ist, dass man Empathie und eine Auswahl von Menschen nicht lernen kann, sondern in sich haben oder über Jahre entwickeln muss. Menschen in Kriterien zu stecken und danach zu beurteilen halte ich für problematisch, den Menschen lassen sich nicht kategorisieren und katalogisieren, auch wenn wir das gerne hätten.
Das mag im Blue Collar Bereich vielleicht noch passen. Die Gefahr besteht darin, dass Firmen all zu junge HR Manager einstellen, die billig und willig sind, jedoch ohne Empathie, dafür den Kopf voller Regeln aus dem Studium haben und glauben, wenn sie diese nun anwenden, wird es schon klappen. Das Ergebnis ist ein konformer Mitarbeiterpool aus generischen Befehlsempfängern ohne Mojo, das manchmal ja vielleicht auch gewollt ist, wobei ich hier wieder an den Blue Collar Bereich denke. Da können wir so agieren, da Individualität am Fleißband nicht wichtig ist.
Gute HR Manager sind eher 50+, denn sie haben Lebenserfahrung, die man frisch von der Uni nicht haben kann.
Auch lustige HR Fragen wie zB.: “Welche Schildkröte wären Sie gerne?” oder Spielchen incl. Namen vortanzen, mögen lustig und was völlig neues in HR sein, führen aber nicht zum Ziel oder sind zu oberflächlich gedacht, um wirklich top Mitarbeiter zu rekrutieren. heutzutage bewerben sich die Firmen bei den Kandidaten und nicht umgekehrt. Da shat sich seit 2015 spätestens geändert und haben aber immer noch nicht alle Unternehmen begriffen.
HR hat viel mit Empathie, Menschen lesen können und ihnen zuhören zu tun. Man sollte keinesfalls nur an den Keywords im CV kleben oder sich von Top Firmen im Lebenslauf beeindrucken lassen, wo der Bewerber Kaffee gekocht und Kugelschreiber bestellt hat, selbst wenn es Goldman, Blackrock oder Nestlé waren. Man muss den neuen Mitarbeiter kennenlernen und das dauert Zeit.
Das ist wie bei einem Date. Wenn eine Firma sich nicht die Zeit nimmt, mich wirklich durch 3–4 Gespräche kennen zulernen und auch über interne Herausforderungen spricht (damit man nicht gleich wieder nach 2 Wochen kündigt!), wieso sollte man dann dort über Jahre arbeiten? (mit ihnen ins Bett gehen)
Wenn sie heiraten, kaufen sie auch nicht die Katze im Sack! (naja in manchen Kulturen vielleicht :-p, lol) Leider tun das heutzutage jedoch viele Firmen, weil Positionen einfach gefüllt werden müssen. Egal wie.
-Wir brauchen bis Jahresende 60 neue Mitarbeiter! Das wurde gerade beschlossen.-
Meistens sind die Zeit und der Workload ein Problem in HR Abteilungen. Welcher HR Business Partner nimmt sich noch die Zeit oder kann sie sich nehmen, mit möglichst vielen Kandidaten zu sprechen und 50 Stunden und mehr in das Projekt zu investieren?
Wir Headhunter sprechen im Schnitt mit 50–100 Kandidaten persönlich, kreieren daraus die Shortlist aus 3–5 Kandidaten, mit denen wir nochmals 2 Interviews a 30 Minuten jeweils machen. Dann kommt das 1. und 2. Gespräch mit dem Kunden (a 45 Minuten) und dann vielleicht noch ein Assessment Center (a 3 Stunden). In Summe kommt man also auf ca. 6–10 Stunden, die man mit einem Kandidaten der Shortlist gesprochen hat, ehe man sich einig wird.
Diese Zeit haben HR Abteilungen oft nicht, da sie zu 50% auch noch andere Agenden bedienen müssen, internes HR, Payroll, Marketing, usw. . Es wird also oberflächlich gehired und man hofft, die Vorgabe von 60 Hirings pro Jahr oder mehr zu schaffen. Wird schon nicht schief gehen.
Gesunde Firmen halten den oben genannten Headhunter-Workflow selbst ein, also zB Google und einige Unicorns, die es sich leisten können. Andere Firmen hingegen, denen die Mitarbeiter egal sind, wegen einer hire & fire culture oder weil es kleinere KMU’s sind, die sich die Zeit eines perfekten Hiring Workflows nicht leisten können, scheitern krachend oder wurschteln sich halt so durch.
Auch sind solche Artikel wie dieser, eine viel zu freche Kritik, als dass sie ernstgenommen werden würde von Unternehmen und HR Abteilungen, da Headhunter ja eine irgendwie sonderbare Konkurrenz sind, auch wenn sie eigentlich die Hüter des heiligen Grals der Personalbeschaffung sind, denn bei uns ist das Recruiting die Hauptaufgabe und nicht nur Teilbereich in einer großen HR Agenda bestehend aus Performance Management, Employer Branding, Payroll, Benefits, Obstkorb, Weihnachtsfeier Organisation und People & Culture Spielchen.
Was können wir nun ändern? 4 Punkte
HR nicht mit zu vielen Aufgaben zuballern, wenn es nur ein kleines Team ist. HR ist nicht auch noch Eventagentur, Facility Manager und Marketing Department!
Besser 5 Leute mit nur 1 Arbeitsbereichen im HR haben, als das jeder-macht-hier-alles-Konzept, das zu Chaos (dynamisches Team) führt.
Zeiten der zu erledigenden Aufgaben tracken, um zu wissen, welche Kapazitäten man braucht um die Dinge gut zu erledigen und wann man eigentlich noch 3 Leute mehr einstellen müßte für den Workload.
Dem Recruiting mehr Zeit und Raum geben, denn schließlich sind neue Mitarbeiter die Zukunft des Unternehmens. Die positive oder negative Zukunft.
Pro Position sollten mindestens 50–80 Arbeitsstunden veranschlagt werden, um wirklich den Besten Kandidaten für eine Bereich zu finden, anstatt nur den Erstbesten aus den 10 Bewerbungen zu nehmen, die man bekommen hat. Gute Mitarbeite einzustellen heisst auch, den Markt zu sondieren. Wen gibt es überhaupt usw… ?
Hier muss die Führungskraft nachhaken und HR auf den Zahn fühlen: Wen habt ihr angesprochen, wie viele Kandidaten sind im Pool? Haben wir wirklich mit mindestens 35–50 Kandidaten vom Mitbewerb gesprochen? Nur so bekommt man auch die beste Lösung / Mitarbeiter vom aktuellen Markt.
Vielleicht regt dieser Artikel ja die Geschäftsführung / Board Members dazu an, einiges in der HR Abteilung umzustellen, um so dem Fachkräftemangel besser entgegen zu wirken. Haben sie eine gut aufgestellte Hr Abteilung, so sparen sie sich auch die Headhunting Kosten, sowie das Chaos, dass durch falsch eingestellte Mitarbeiter entsteht.
Wer ein gutes Fundament und eine nachhaltige Firma aufbauen will, dem sollten die Mitarbeiter und Wege, wie man diese findet nicht egal sein, abgesehen von der Wertschätzung der HR Abteilung gegenüber, die oft völlig überlastet ist und eigentlich deswegen so schlecht performt. Das haben HR Abteilungen mit Recruitern bei Personalberatungen gemeinsam:
Großer Workload, wenig Gehalt und an sie gerichtete hohe Erwartungen. Dabei sind sie es, die die Zukunft des Unternehmens personaltechnisch bauen.
Thomas Zahlten, Wien den 22.05.25